Stein für Stein wird nun das Schulhaus an seinem alten Standort in Unterheid bei Meiringen (BE) abgebaut und auf dem Ballenberg wieder aufgebaut. Wir führen ein Bautagebuch und berichten laufend über die Translozierung, den Baufortschritt, die Baugeschichte, Hintergrundinformationen und viele weitere spannende Themen rund um dieses besondere Projekt.
Nachdem das Schulhaus sorgfältig Stein für Stein abgetragen wurde, erfolgt nun der Wiederaufbau wie anno dazumal. Die beim Abbau nach Himmelsrichtung und Stockwerk getrennten und markierten Steine werden von ihrem Lager ausserhalb des Museums auf die Baustelle gebracht und dort sortiert. Dank der zuvor angefertigten Detailpläne können besonders markante Steine wieder an ihre ursprüngliche Position gebracht werden. Das ist vor allem an den Gebäudeecken wichtig, denn sie sind für die Statik des Schulhauses von grosser Bedeutung. Das Ganze gleicht einem riesigen Puzzle, bei dem mit Sorgfalt das Mauerwerk wieder zusammengesetzt wird.
Die Bruchsteine wurden beim Bau des Schulhauses 1830 vor dem Versetzen nicht zu Quadern gehauen. So entstanden zwischen den ungleichmässig geformten Steinen Hohlräume im Mauerwerk, die damals wie heute mit Schieferstücken und Mörtel aufgefüllt werden. Beim Mauern wird ausserdem darauf geachtet, dass jeder Stein mindestens drei andere berührt, um die nötige Stabilität zu gewährleisten. So, wie es gemauert ist, könnten die Wände des Schulhauses auch fast von selbst stehen, ohne Mörtel und wie ein Trockenmauerwerk. Die Lasten werden nämlich über die Steine abgetragen und nicht über den Mörtel. Trotzdem benötigt es ihn, um die Steine miteinander zu verbinden. Der verwendete reine Kalkmörtel bietet – im Vergleich zum modernen Zementmörtel – eine höhere Elastizität, die dem Gebäude ermöglicht, kleinere Bewegungen im Mauerwerk auszugleichen.
Gleich neben der Baustelle befindet sich ein eigens eingerichteter Mischplatz, auf dem der Kalkmörtel hergestellt wird. Der dafür benötigte Branntkalk wurde vor Ort im Kalkofen auf dem Ballenberg gebrannt. Wer mehr über den faszinierenden Prozess des Kalkbrennens erfahren möchte, dem empfehlen wir unseren Beitrag zum Kalkkreislauf.
Der Wiederaufbau geht Hand in Hand und im Einklang mit historischen Handwerkstechniken. Während die Maurer die einzelnen Steine zu einem stabilen Mauerwerk zusammenfügen, arbeiten die Zimmerleute parallel an den Holzelementen. Schon während des Abbaus wurden diese sorgfältig auf Schäden untersucht und analysiert, welche Teile ersetzt und rekonstruiert werden müssen. Dabei kommen, wie es auf dem Ballenberg üblich ist, traditionelle Holzbautechniken zum Einsatz. Verzapfungen und Holznägel verbinden die Bauteile, ganz ohne Leim oder Schrauben.
Mit dem Einbruch des Winters verordnet die Natur den Bauarbeiten eine Zwangspause. Sobald die Temperaturen unter 5°C sinken, kann nicht mehr mit Kalkmörtel gearbeitet werden und die Baustelle Schulhaus Unterheid geht in die Winterpause. Die Tore des Freilichtmuseums Ballenberg schliessen am 27. Oktober 2024 bis zum 9. April 2025. Nutzen Sie also die letzten Tage der Saison, um den beeindruckenden Wiederaufbau vor Ort zu verfolgen.
Unabhängig der Winterpause berichtet unser Blog weiterhin monatlich über den Projektfortschritt, interessante Hintergründe und die Planung für das kommende Jahr. Bleiben Sie dran und verpassen Sie kein Update zum Wiederaufbau des Schulhauses Unterheid!
Es ist so weit – ein Schulhaus bereichert den Ballenberg
Das Schulhaus wurde im Jahr 1830 als vierstöckiges Steinhaus mit Schieferdach im Schwemmland der Aareebene des Haslitals errichtet. Bis in die 1870er Jahre fand darin der Primarschulunterricht für die Kinder aus den umliegenden Ortschaften statt.
Erste Überlegungen zur Übernahme des Schulgebäudes begannen bereits 2012. Das Vorhaben, ein Schulhaus im Freilichtmuseum Ballenberg aufzunehmen, ist jedoch viel älter und geht auf die Zeit um 1970 zurück, als das Museum noch in Planung war. Die Grundidee war damals, repräsentative Gebäude aus verschiedenen Regionen der bäuerlich-ländlichen Schweiz zu sammeln und der Öffentlichkeit an einem Ort zugänglich zu machen. Dazu gehören neben Wohnhäusern und deren Nebengebäuden auch öffentliche Bauten, wie sie in den Dörfern anzutreffen waren. Natürlich darf da ein Schulhaus nicht fehlen. Es dauerte über 50 Jahre, bis nun endlich ein geeignetes Objekt gefunden und dessen Übernahme gesichert werden konnte.
Historisches Schulhaus auf Reisen: Der Abbau hat begonnen!
Es ist so weit! Der Startschuss für die Translozierung des historischen Schulhauses aus Unterheid ist gefallen, und die ersten Schritte sind bereits getan. Nach intensiver Planung und der Bewältigung bürokratischer Hürden wurde der Abbau offiziell gestartet. Die Genehmigungen sind erteilt, und der Weg für die Umsetzung des Projekts ist frei.
Ein Gebäude verschwindet, ein neues Kapitel beginnt
Der erste Schritt war der Abbruch des Nebengebäudes, das nicht zum historischen Schulhaus gehört. Nun richtet sich der Fokus auf den Abbau des eigentlichen Schulhauses und die damit verbundene Bauuntersuchung. Die Spannung steigt: Welche Geheimnisse werden das alte Gebäude preisgeben? Welche Geschichten verbergen sich in den einzelnen Bauelementen?
In der ersten Phase wurden die Laube und der Treppenaufgang sorgfältig demontiert. Diese Teile werden eingelagert und defekte oder fehlende Holzteile werden bereits rekonstruiert, um später für den Wiederaufbau im Freilichtmuseum Ballenberg bereit zu sein. Als nächstes stehen das Dach und die Inneneinrichtung auf dem Plan. Ab Mitte Juni wird dann Stein für Stein des Mauerwerks abgetragen – eine präzise und herausfordernde Arbeit.
Das neue Zuhause, das Fundament steht
Parallel zum Abbau wurde am neuen Standort im östlichen Teil des Freilichtmuseums Ballenberg das Fundament vorbereitet. Das Schulhaus aus Unterheid wird zukünftig in der Geländekammer Berner Oberland, neben der Töpferei im Kleinbauernhaus aus Unterseen BE (1051), wiederaufgebaut. Jedoch bevor das Gebäude transloziert werden kann, benötigt es eine stabile Fundation.
Am ursprünglichen Standort in Unterheid stand das Schulhaus auf weichem Boden im Schwemmgebiet der Aare und ruhte auf einem Steinfundament. Im Laufe der Zeit führte dies zu einer starken Absackung auf einer Seite, wodurch ein grosser Riss im Mauerwerk entstand. Am neuen Standort im Freilichtmuseum ist der Boden unterschiedlich beschaffen – teils felsig, teils erdig. Um ungleichmässiges Absinken zu verhindern, wurde ein robustes Betonfundament gewählt. Dieses Fundament aus Betonstreifen soll den Herausforderungen des ungleichmässigen Untergrunds entgegenwirken und dem historischen Gebäude die notwendige Stabilität bieten.
Der Abbau und Wiederaufbau eines historischen Gebäudes sind mehr als nur technische Prozesse – sie sind eine Hommage an die Handwerkskunst und die Geschichte, die in jedem Stein und jedem Balken steckt. Freuen wir uns darauf, die Fortschritte zu verfolgen und die Geschichten, die dieses Gebäude erzählt, zu entdecken.
Schritt für Schritt: Der Abbau des Schulhauses
Der Abbau des Schulhauses in Unterheid schreitet zügig voran. In den vergangenen Wochen wurden das Dachgeschoss und das zweite Obergeschoss abgebaut. Dabei wurden spannende Entdeckungen gemacht: eine Zeichnung auf einem Stück Holz sowie Hinweise darauf, dass die Fenster nachträglich ersetzt wurden und die Laube in späteren Jahren erweitert wurde. Es zeigt sich, dass hier im Jahre 1830 eindeutig Profis am Werk waren, die ihr Handwerk verstanden. Dank des digitalen Zwillings haben Sie die Möglichkeit selbst einen digitalen Rundgang durch das Schulhaus zu machen.
Der Abbau ist in vollem Gange
Das ursprüngliche Schulhaus hatte eine Dachdeckung aus Schiefer. Diese soll am neuen Standort im Freilichtmuseum Ballenberg rekonstruiert werden. Daher wurden die Ziegel entsorgt, die in den letzten Jahrzehnten auf dem Dach lagen. Die tragende Dachkonstruktion aus Holz wurde nach sorgfältiger Nummerierung der Bauteile in die Werkstatt gebracht, ebenso der historische Täfer im Schulzimmer und in der Lehrerwohnung. Anschliessend ging es an die gemauerten Wände. Auch hier wird nummeriert, jedoch nicht jeder einzelne Stein – das wären zehntausende und somit viel zu viele. Beim Mauerwerk werden nur die markanten, besonders grossen und für die Konstruktion des Mauerwerks wichtigen Steine genau eingemessen und in einem Plan kartiert, also verzeichnet. Diese Aufgabe übernimmt der archäologische Dienst des Kantons Bern, der den Abbau begleitet. Die einzelnen Steine werden von Mörtel und Putz befreit und nach Wänden und Stockwerken getrennt gelagert, um später wieder an den richtigen Stellen vermauert zu werden.
Digitaler Zwilling vom Schulhaus in Unterheid
Nebst der genauen Markierung der Bauelemente und der sorgfältigen Kartierung in den Plänen wurde für den Wiederaufbau ein digitaler Zwilling erstellt. Dieser digitale Zwilling ist eine präzise virtuelle Abbildung des Schulhauses auf der Grundlage von Fotos und wurde vor dem Abbau angefertigt. Mit dieser Technologie können wir jederzeit nachträglich einen Blick in die Räumlichkeiten werfen und Details studieren, die beim Wiederaufbau wichtig sind. Erkunden Sie selbst das Innenleben des Gebäudes. Weiter zum digitalen Zwilling.
Entdeckungen während des Abbaus
Beim Abbau wurde im Mauerwerk ein Stück Holz mit einer Zeichnung entdeckt, die eine Art Kelch symbolisiert. Was es mit dieser Zeichnung auf sich hat und aus welcher Zeit sie stammt, ist zum heutigen Zeitpunkt noch nicht bekannt. Vielleicht haben Sie eine Idee?
Ausblick
Mitte August wird in Unterheid nichts mehr vom alten Schulhaus zu sehen sein. Anschliessend beginnt der Wiederaufbau im Freilichtmuseum Ballenberg. Im nächsten Blogbeitrag berichten wir über das Kalkbrennen und Kalklöschen. Aus dem Kalk wird auf dem Ballenberg für den Wiederaufbau des Schulhauses ein besonderer Mörtel hergestellt.
Save the Date: Vom 25. bis 29. September findet das nächste Kalkbrennen im Freilichtmuseum statt. Seien Sie dabei und erleben Sie, wie ein historischer Baustoff hergestellt wird.
Der letzte Stein ist abgebaut, der Wiederaufbau kann beginnen!
Wo kürzlich noch das Schulhaus aus Unterheid stand, ist heute, nach knapp vier Monaten nicht mehr viel zu sehen. Der Abbau wurde planmässig abgeschlossen, die Holzelemente werden gegenwärtig in der Zimmerei restauriert und die Steine warten beim Lagerplatz im Freilichtmuseum darauf, neu versetzt zu werden. Jetzt beginnt die nächste spannende und lange Phase: Am 26. August 2024 startet der Wiederaufbau auf dem Ballenberg.
Kalkmörtel – auf den Spuren einer Jahrtausende alten Tradition
Beim Aufbau der Steinmauern kommt ein heute nur noch selten verwendetes historisches Baumaterial zur Anwendung – der traditionelle Kalkmörtel. Er wird direkt auf dem Bauplatz im Freilichtmuseum gemischt.
Kalkmörtel wurde nachweislich schon vor über 10’000 Jahren verwendet – es handelt sich dabei um einen der ältesten künstlich hergestellten Baustoffe der Menschheit. Er besteht aus gebranntem Kalk als Bindemittel, Wasser sowie Sand als Zuschlagstoff. Der für den Wiederaufbau benötigte Branntkalk wird im Kalkofen beim Brandboden (491) auf dem Ballenberg gebrannt.
Heute wird im Baugewerbe fast ausschliesslich der schneller aushärtende Zementmörtel verwendet und reiner Kalkmörtel nur noch sehr selten genutzt. Das Aushärten von Kalkmörtel dauert länger als das Aushärten von Zementmörtel. Pro Woche können deswegen beim Wiederaufbau des Schulhauses nur wenige Steinlagen übereinander gemauert werden und die Erstellung des Mauerwerks benötigt deutlich mehr Zeit. Durch die Verwendung beim Wiederaufbau des Schulhauses aus Unterheid wird das alte Wissen um die Herstellung und Verarbeitung von Kalkmörtel wiederbelebt.
Das Mörtelrezept
Für die Herstellung des Mörtels werden Sand und gebrannter Stückkalk in mehreren Lagen übereinandergeschichtet und mit Wasser übergossen. Dabei wird der Kalk gelöscht und gewinnt an Volumen. Es entsteht sogenannter Kalkspatzenmörtel. Kalkspatzen sind Klümpchen aus ungelöschtem Kalk. Sie bilden kleine Reservoirs in der Mörtelmischung. Auch wenn der Mörtel nach seiner Verarbeitung im Mauerwerk hart geworden ist, kann mittels Feuchtigkeit noch Kalk aus den Spatzen abtransportiert werden. Befinden sich in der Nähe der Kalkspatzen kleinere Risse, so werden diese mit Kalk aufgefüllt. Die Mörtelmischung kann sich also bis zu einem gewissen Grad selbst reparieren.
Die Translozierung wird unterstützt von der Ghelma AG Baubetriebe in Meiringen. Vielen Dank!